Familie Joseph Gistel (1799 - 1859) - Haldenwang und Eglingen

Familie Joseph Gistel (1799 - 1859) - Glöttweng, Haldenwang und Eglingen 

,Joseph Gistel ist mein dreifacher Urgroßvater. Sein Foto stellt mir eine besondere Verbindung zu ihm her, auch, wenn wir uns nie begegnet sind. Ihn betrachtend stelle ich mir manchmals vor, wie er wohl gewesen sein mag. Die Bilder sind  Schaufenster in eine lang vergangene Zeit. Ihnen hinterherzuspüren, ihnen nachzuempfinden, wie das Leben damals war, wie das Leben von Menschen, die noch nahe an ihrer eigenen Existenz waren, die im Umgang mit den Gebilden der Zeit um ihre Existenz kämpften --- und überlebten, das interessiert mich. Ich kann nicht mehr herausfinden, wie er war, aber doch seine Geschichte rekonstruieren aus den Daten, die uns erhalten geblieben sind.

Zu seiner Geschichte, die ich zusammenstellen konnte:

Joseph Gistel 1799 - 1859

Joseph Gistel kam als Kind von Oswald Gistel (1770-1838) und Juliana Kaiser oder Kaifer (*1779) als Wirtssohn in Glöttweng  bei Günzburg zur Welt. Er heiratete im Jahr 1831 in Haldenwang Johanna Unterseher (1810 – 1875), die hier aus einer großen haldenwangschen Familie stammte. Laut den Geburtseintragungen seiner Kinder ins hiesige Kirchenbuch wohnte Joseph damals "im Schloss" und sein Beruf wird mit "Bräumeister im Schloss" angegeben. Im Schloss wohnte die Familie von Freyberg, sie entstammt einem alten Rittergeschlecht. Deren Schloss ist heute sehr imposant anzusehen. Als jedoch Joseph und Johanna dort wohnten, sah es noch anders aus. Denn das Schloss in Haldenwang wurde erst 1860 im neugotischen Stil renoviert. 

Wahrscheinlich hatten die Freybergs Joseph Gistel in Ihre Dienste genommen. Zudem scheinen freundschafltiche Beziehungen geherrscht zu haben, denn beim ersten Kind von Joseph und Johanna steht als Taufpate ein Clemens Baron von Fryberg im Kirchenbuch.

Johanna Unterseher (1810-1875)

Das erste Kind Clemens 1832 lebte nicht lange. Kurz hintereinander kamen 6 weitere Kinder zur Welt. Crescentia 1834, Anton 1835, Joseph 1836, Maria 1837, meine Ururgroßmutter Theresia 1839-1874, Anna 1840 und Carolina im Jahr 1843.

Theresia Gistel 1839-1874, hier in Öl gemalt.
    
 

 Umzug von Haldenwang nach Jettingen

 Im Jahr 1839, dem Geburtsjahr meiner Ururgroßmutter, verpachtete Graf Stauffenberg in Jettingen direkt am neu renovierten Schloss eine neu gebaute Brauerei mit Gaststätte und Joseph ergriff die Gelegenheit, hier Pächter zu werden. 

 

Ausschreibung der Verpachtung der Brauerei in Jettingen vom 5.6.1836

Text:

Bekanntmachung: Das ganz neu erbaute, für einen großen Betrieb berechnete, und mit hinlänglichem gutem Sommerkeller versehene herrschaftliche Brauhaus dahier wird auf 6 oder 9 Jahre in Pacht gegeben. Es befindet sich dabei ein besonders neues Kellergebäude mit mehreren Gast. Und Wohnzimmern und mit einer die herrliche Aussicht gewährende Gartenanlage.

Die nähern Bedingungen werden am Verpachtungstermin den 20ten Juni Vormittags 10 Uhr dahier eröffnet, und wird auf vorläufige schriftliche Anfragen jede Auskunft bereitwillig gegeben werden. Diesseits unbekannte Persönlichkeiten haben Vermögens- und Leumundszeugnisse mitzubringen. Jettingen bei Günzburg, den 26. Mai 1838

Freiherr Schenk zu Stauffenberg‘sches Rentamt

Ein wunderschöner Blick in den gräflichen Garten, die Nähe zum Schloss, eine wunderbare Lage und eine nagelneue Brauerei mit Hotellerie- und Gaststättenbetrieb versprachen in diesen Zeiten der Spitzwegschen Spätromantik guten Erfolg, allerdings auch viel Arbeit.

 

Schloss in Jettingen, links die ehemalige Brauerei
mit Wirtschaft, Postkarte um 1912

Für 9 Jahre pachtete er dort die Brauerei mit Gastronomie. Seine jüngste Tochter Carolina ist bereits in Jettingen getauft, steht aber noch im Kirchenbuch von Haldenwang. Die "Gräfliche Schenk von Stauffenbergsche Schloßbrauerei Jettingen" in Jettingen-Scheppach wurde im Jahr 1732 bis 1986 betrieben. Vermutlich ist das auf dem Bild dargestellte Gebäude neben dem Schloss die damals neu erbaute Gastwirtschaft mit neu erstellter Brauerei. Aus dem Jahr 1848 gibt es eine Ankündigung im Rieser Wochenblatt, dass dem Brauer Joseph Gistel in Jettingen das Brauen von Doppelbier genehmigt worden ist.

 Pacht der Thurn- und Taxis'schen Brauerei in Eglingen

Braumeister kannten sich untereinander und waren immer wieder unterwegs, um die Herrschaften, die Braurechte hatten, zu bedienen. Um das Jahr 1850 zog Joseph Gistel mit seiner Famile nach Eglingen und wurde der dortige Braumeister. 

 

Das ehemalige fürstliche Brauhaus in Eglingen, Postkarte um 1944
 

Die fürstliche Brauerei in Eglingen wurde von Joseph Dossenberger (1721-1785), dem Hofarchitekten der Fürsten Thurn und Taxis erbaut. Sie besitzt kirchenähnliche hohe Rundbogenfenster und die großen Innenräume sind kreuzgratgewölbt überdeckt. Gegenüber ist noch die Postkutschenstation mit Rundbogenstraße zum Wenden der Postkutschen sowie die ehemailige Poststation zu erkennen. Das war also ein Zentrum auf dem Land, an dem viel Umtrieb herrschte. Und ganz in der Nähe bei Dischingen war der ehemalige Sommersitz der Fürsten von Thurn und Taxis, die bis 1867 das Postmonopal hatten. Wenn man aus dem Eglinger Schlosskomplex auf die heutige Hauptstraße heraustritt, dann kann man diese Strukturen noch erkennen und nachspüren, dass hier früher wohl einiges geboten war. Mein Großvater konnte noch erzählen, wie die Fürsten Thurn und Taxis hierher in die Sommerfrische kamen. Das war wohl eine große Attraktion. 

Gegenüber der Schlossanlage, wo einst die Pferdekutschen hielten, ist heute wahrscheinlich in Folge eine Schule entstanden. Die wird aber auf dem Land heute auch nicht mehr finanziert, so ist da nun ein Kindergarten untergebracht.

Wie es der Familie Gistel in Eglingen ergangen ist, kann ich momentan nicht nachvollziehen. Sie waren sicher angesehene Leute, auf den Fotos sehr wohlgekleidet und dekoriert mit allerlei wertvollem Schmuck. Aber die alten Privilegien auf das Braurecht bröckelten. Die Braumonopole, ehemals an Gebäude und Herrschaften gebunden, weichten immer mehr auf.  

Leider steht heute das alte herrschaftliche Brauereigebäude in Eglingen gegenüber des Schlosses leer, ist eingewachsen wie ein Dornröschenschloss. Man könnte träumen von alten Zeiten, wäre da nicht eine hässliche und laute Biogasanlage erstellt worden, die das Idyll zerstört. Man setzt wohl darauf, dieses imposante Renaissancegebäude verfallen zu lassen und dann irgendwann abzureißen. Schade. Man kann es heute noch finden, wenn man ganz genau hinsieht.

Aber kehren wir zurück zur Familie von Joseph Gistel. 

Als die Familie im Jahr 1850 von Jettingen nach Eglingen zog, war Theresia, meine Ururgroßmutter 11 Jahre alt. Im Jahr 1859 starb Joseph Gistel im Alter von 60 Jahren. Wer die Brauerei von 1860 bis 1870 führte, konnte ich nicht herausbekommen. Aber ab 1870 stand sie wieder zur Verpachtung. (unten finden wir die Anzeige im Fränkischen Kurier)

Was wurde aus den Kindern?

Der Sohn Joseph heiratete die Eglingerin Dietburg Sing. Sie hatten 9 Kinder. Anna heiratete Karl Abele aus Dunstelkingen. Maria wanderte wahrscheinlich nach Amerika aus. Meine Ururgroßmutter Theresia Gistel heiratete im Jahr 1869 mit 29 Jahren den 2 Jahre jüngeren Anton Fürst, den Posthalter aus Amerdingen.  Als sie im Jahr 1874 viel zu früh starb, verheiratete sich Anton mit ihrer Schwester Carolina, die bereits auch schon wieder Witwa war. Ihr Mann war Jäger gewesen und bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. [1]

Aber das ist eine andere Geschichte...

Woher stammt aber Joseph nun? Die Fortsetzung findet man hier 👉👀👀

 Zu seinen TöchternTheresia und Carolina geht es hier 👉👀👀

 

18.3.1870 Anzeige zur Neuverpachtung der Eglinger Brauerei

 











Augsburger Abendzeitung vom 2.1.1876


 

 

 

 



 

 



[1] Herr Reif war Jäger der Fürsten von Thurn und Taxis und wurde in Trugenhofen begraben, nachdem er von einem Wilderer erschossen worden war. So stand es zumindest auf einem Foto hinten vermerkt. Leider sind uns die Originale abhanden gekommen.