Mai / Juni 2021 Besuch in Neuhütten, Maienfels, Brettach und Mainhardt
Bei den Recherchen zu den Vorfahren meiner Großmutter Frida, geborene Wieland, bin ich der Wieland-Linie gefolgt und habe mir die Gegend, in der meine Vorfahren gelebt haben, genauer angesehen. Dazu reisten wir mehrmals in diese Gegend und unternahmen ausgedehnte Wanderungen zu markanten Punkten.
Soweit zurückverfolgbar, kommen meine Wieland-Verwandten aus dem Schwäbisch-Fränkischen Wald, genauer aus Neuhütten und Umgebung. Glaubt man den Aufzeichungen des Oberamts von 1860 , dann hat sich hier auf der nicht sehr fruchtbaren und entvölkerten Hochebene um 1649 eine versprengte Gruppe von Schweden angesiedelt. Braunhaarig, lustig und untersetzt, so seien die Menschen hier, sie singen gerne und spaßen. So wird das beschrieben. Sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, was sie glauben und dass ihre Kinder jeden Tag in die Schule gehen müssen. Deshalb wurden sie ja dann auch unter Aufsicht gestellt. Sie waren nach dieser Quelle eher freigeistig und flexibel. Trotzdem mussten sie ihr Auskommen haben. Stubensand und Mineralwasser, das war das Gold dieser Gegend.
Diese sehr wald- und wiesenreiche Gegend liegt hoch und ist klimatisch rauher als das Weinsberger Tal, in dem die Familie meiner Großmutter erst seit einer Generation lebte.
Wer meine Wieland-Vorfahren einsehen möchte, findet sie hier 👉👉👀
Bereits beim Versuch, Neuhütten zu erreichen, muss man höllisch aufpassen! Denn wirklich gut kommt man nach Neuhütten nur über die Abfahrt bei Wüstenrot. Dann suche man sich am besten bei der evangelischen Kirche einen Parkplatz. Von hier aus kann man die hervorragend ausgeschilderten Wanderwege nutzen. Unterhalb des Friedhofs geht es zum Beispiel über Wiesenwege zum Steinknickle. Oder aber man erwandert von hier aus Maienfels und Brettach und über Walklensweiler wieder nach Neuhütten zurück. Aber dazu gibt es sehr gute Wanderführer im Wüstenroter Rathaus. Dazu eine sehr ambitionierte Mannschaft und sehr schön gestaltete Wanderkarten mit Beschreibungen. Sogar in Lockdownzeiten kommt man zu seinen Karten. Danke dafür! :)
Was mich interessierte, waren die früheren Lebenswelten.
Station 1: Neuhütten: Die Welt hier in Neuhütten ist eine andere: Die vielen Maiwiesen voll mit Wiesenbocksbart, Klappertöpfen, seltene Saueramper, Orchideen, Ehrenpreis, viele Gräser und sehr dominant in der Farbe im Monat Mai viele Arten der Hahnenfüße. So schöne Wiesen, die in allen Farben blühen und nicht strotzen vor Dünger, sondern allerlei Kräutlein Platz lassen, kann man nur noch selten finden, sieht man selten. Keine Intensiv-Industrie-Landwirtschaft 4.0 ist hier zu finden. Die findet hier einfach nicht statt. Warum das? Da oben ist ein Paradies! Ich wussste nicht, dass die Landschaft so hoch liegt, dachte schon, dass dort alles wie im Weinsberger Tal ist, wusste nicht, wie unterschiedlich die Regionen Einfluss haben auf Sein und Geben aus dieser anderen Zeit.
Es war so gut, dahin gefahren zu sein und geschaut zu haben, wie das Leben damals war, ... und wie es heute ist. Und wie es da aussieht.
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Wunderbare Wiesen auf der Höhe zwischen Kreuzle und Maienfels - hier vor der Mahd |
Eigentlich würde ich nun noch viel mehr Fotos platzieren, aber fahren Sie selbst hin und machen Sie sich Ihre eigenen Bilder! :)
Ich wurde neugierig. Während des Wanderns machten wir uns so unsere Gedanken, fündig wurden wir dann abends beim Reflektieren.
Wenn man am Steinknickle steht, wird einem bewusst, wie viel höher diese Landschaft liegt im Vergleich zum Weinsberger Tal und Brettachtach bis nach Bretzfeld. Wesentlich rauer, windiger und kühler, aber auch lange nicht so fruchtbar wie die Gegend, auf die man von da oben herabschauen kann.
Wie kam das? Wikipedia weiß das:
Bereits vor vielen Millionen Jahren, als die Gegend noch nahe des Äquators lag, war hier ein warmes Meer, das wogte. Viel Urgestein (Granit) wurde zermahlen, abgelagert und aufgeschichtet. Viele verschiedene Materialien wurden zusätzlich eingelagert und ergaben härtere und weichere Schichten, vor allem silikatische Sande, aber auch Tone.
Später driftete das Land in unsere heutigen Breiten und hob sich durch Druck, der durch das Aufeinanderprallen der Kontinentalplatten entstand. Dabei entstand auch Sandstein durch den Druck immer weiterer Ablagerungen auf der Erde. Das schützende Wasser der seichten Meere wich, das Land driftete weiter Richtung Norden und war Wind, Wetter und dem Wasser ausgesetzt. Dieses Wasser kam nun in den gemäßigteren Zonen vom Himmel und regnete auf das sandige Land.
Dieses Wasser hat unendlich viel Kraft, wenn die Zeit lange genug ist. So bildeten sich die tief eingeschnittenen Täler der Brettach, der Rot und vieler anderer Nebenflüsse aus, während die Hochebene, auf der zum Beispiel Neuhütten oder Mainhardt liegen, stehen blieb.
Solche Dinge habe ich schon im Sandkasten beobachtet. Man baute eine Sandburg, dann kam Regen und wusch viel weg von den Kunstwerken. Aber irgendwie hat der Regen ebenfalls wieder Kunstwerke hinterlassen. Wenn man genauer hinsah, wurde klar: Wo die Schichten dicker sind, gehen sie schwerer weg, wo Ton oder Lehm drunter ist, bleibt eine Pfütze, wo lockerer Sand lag, wurde alles weggespült. Lag ein Stein drauf, so gab es einen Hügel. Und so kann man die Bildung der Landschaft hier verstehen. Und dann? Wie geht es weiter?
Hier in dieser Landschaft lag wohl richtig viel Sand und Sandstein, dazu kam Ton. Die Lagen hier werden Stubensandstein genannt. Wer es genauer wissen will, kann gerne hier weiter lesen:
https://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/2252/ort
Der Stubensandstein ist also für das heutige Aussehen verantwortlich: Bis zu 140 Meter dicke Schichten von Sandstein und Tonschichten machen Probleme: Entweder, es ist zu trocken für Landwirtschaft, weil das Wasser gleich in tiefere Schichten verschwindet. Sand, vor allem Quarzsand, kann keine Feuchtigkeit speichern. Dann haben die Pflanzen es schwer, sich zu halten, denn auf nass kommt gleich wieder staubtrocken. Ton aber ist für Wasser nicht durchlässig. Dann gibt es Staunässe. Also falls ich eine Pflanze wäre: Entweder es ist viel zu nass oder aber es ist viel zu trocken. Da muss ich mich schon spezialisieren und nur die, die Glück haben und die richtige Umgebung finden, werden dann auch was.
Das ist schwierig für die Vegetation! Wahrscheinlich schaut es deshalb da oben bei Neuhütten im Mai auch so spannend aus. Lauter Spezialisten wachsen hier! Die Pflanzen, die sich genau auskennen und die, die es immer wieder ausprobieren. Zusätzlich hat es der Mensch aufgegeben oder nie wirklich ausprobiert, hier vom Boden leben zu wollen. Damit ist eine reizvolle natürliche Diversifität entstanden und der Mensch hat Platz gemacht für natürliches Leben hier in dieser Gegend. Die Gegend Mainhardt, Neuhütten, Maienfels, Finsterrot ist wirklich sehr spannend. Wir waren hier mehrfach wandern und haben uns an den Kühen, Ziegen, Wiesen und am Wald erfreut und ständig Neues gelernt.
Maienfels war damals Pfarrsitz von Neuhütten, das bedeutet, bei Geburt, Beerdigung, Hochzeit und sonstigen Dingen musste man nach Maienfels in die Amtsstube laufen, das war von Neuhütten aus doch schon ganz schön steil und dauerte gut eine Stunde. Vor der Burg ist ein Vorhof, in dem das Amtshaus steht. Hierher mussten alle zur Meldung, wenn Geburten, Todesfälle und Hochzeiten stattfanden.
Wovon lebten die Menschen aber damals? Wir erfahren es aus dieser Oberamtsbeschriebung von Weinsberg: Vom Handel und vorher vom Glas. Es wurde hier Glas hergestellt, die Rohstoffe dazu waren da. Sand, Pottasche, Holz zum Kohlemachen, dazu eben die Wiesen für das Getier, Sand und sauberes Wasser zum Verkaufen, eine Mangelware in den tieferen Gefielden.
Heute ist die Gegend ein Geheimtipp mit absoluter Wanderempfehlung und Erholungsfaktor 10, vor allem die Ruhe auf den Höhen tut einfach nur den Ohren und dem Geist gut. Wenn Sie dahin gehen, belassen Sie es dabei!